„Und, was machst du, wenn du mit der Schule fertig bist?“ 

Wie ich diese Frage hasste! Es löste jedes Mal eine Stressreaktion – ein Gefühl wie ein schwarzes Loch – in mir aus. Darin verschwand die ganze Freude, die ich davor gespürt habe. Es hinterließ Angst und Sorgen… diese Entscheidung ging letztendlich um mein tägliches Glück, mein ganzes Leben! Das war keine Entscheidung, die ich so einfach treffen konnte… Es hing so viel davon ab!

Zwei Berufe konnte ich damals 100% ausschließen: Wirtschaftsprüferin (viel zu langweilig und alles drehte sich nur ums Geld) und Ärztin (viel zu viel Verantwortung, extreme Stresssituation, lange Studienzeit mit wenig Einkommen und viel zu wenig Schlaf! Geschweige denn das ganze Blut! Igitt!). Hoch auf der Liste waren Game Rangerin und Naturschützerin. Ich wollte am allerliebsten die Familienranch in Südafrika mit wilden Tieren und Kühen betreuen und verwalten. Im Hintergrund wäre es auch nett gewesen, Menschen zu helfen und ein Licht für Jesus in diese Welt sein. Ich betete intensiv um Weisheit und darum, dass sich die „richtigen Türen“ öffnen würden. Dann wartete ich ab, bis der nächste Schritt klarer wurde. Ich erhielt keine Visionen oder Prophezeiungen, die mir den Weg zeigten, deshalb meldete ich mich als nächsten logischen Schritt an der Uni für Naturwissenschaften an. Dann kamen zwei Sachen auf einmal: Es schloss sich eine Tür, weil unsere Familienranch in Südafrika verkauft werden musste und eine Freundin, die sich für Physiotherapie begeisterte, weckte meine Interesse dafür. Und so meldete ich mich zusätzlich für Physiotherapie an der Uni an. 

Am Ende bekam ich Plätze in beiden Kursen. Ich kann zwar nicht behaupten, dass ich eines Tages plötzlich die Schrift an der Wand gesehen habe – als Wegweiser, welchen Kurs ich nehmen sollte. Meine Entscheidung war eher so: „Die Plätze in der Physio sind viel begehrter und schwieriger zu bekommen; wenn ich diese Chance nicht wahrnehme, kommt es nie wieder. In der Naturwissenschaft bekomme ich aber zu jeder Zeit wieder einen Platz – falls Physiotherapie nicht das richtige wäre.“

Und so kam es, dass ich begann, Physiotherapie zu studieren. Es war viel interessanter, als ich je gehofft habe. Es weckte eine Freude und Neugier in mir, die ich zuvor nicht kannte. Leider waren diese tollen Kurse aber alle mit Medizin verbunden: Anatomie, Physiologie, Pathologie. Die Physiotherapie Teil lies mich eher kalt! Was nun!? Ich war mir davor so sicher gewesen, dass ich nie Ärztin werden wollte. Der Gedanke lies mich aber nicht los und ich merkte, wie Gott mit mir über meine Ängste redete, und mich ermutigte, dass Er mir helfen würde, die Hürden zu bewältigen. Am Ende wechselte ich mit vielen Tränen und Zweifeln von der Physio in die Medizin. Und? Ich blickte nie mehr zurück! Heute bin ich Anästhesiologin und arbeite viel auf der Intensivstation (wieder etwas, von dem ich dachte, das ich es nie wollte)! Es stellte sich heraus, dass es nichts gibt, was ich lieber machen würde! Gott wusste das von Anfang an, ich musste es aber mit seiner Hilfe entdecken und Ihm dorthin folgen!

Zurückblickend glaube ich, dass viele von uns einen großen Fehler machen. Wir glauben, dass Berufung um unsere Arbeit oder das, was wir in unserer Freizeit machen, geht. Mit der Zeit lerne ich mehr und mehr, dass Berufung weniger damit zu tun hat, WAS wir machen, und mehr damit, WER wir sind. Es fängt vor allem mit meiner Beziehung zu Gott und meinem Glauben an Jesus, meinen Erlöser an. Dies ist unsere Berufung! Durch den Heiligen Geist in mir werde ich immer mehr wie Jesus. Gott motiviert mich, gute Taten zu tun und Er gibt mir die Kraft und Begabungen, diese auch durchzuführen. Wie wir so schön in 2 Thess. 1: 11-12 (NGÜ) sehen: „Weil wir das alles vor Augen haben, hören wir nicht auf, für euch zu beten. Wir bitten unseren Gott, der euch zum Glauben gerufen hat, dass er euch hilft, ein Leben zu führen, das dieses Rufes würdig ist, und dass er in seiner Macht alles Gute, das ihr vorhabt, zustande kommen lässt und alles, was ihr auf der Grundlage des Glaubens tut, zur Vollendung bringt. Dann wird der Name unseres Herrn Jesus für all das geehrt werden, was durch ihn in eurem Leben geschehen ist, und weil ihr mit ihm verbunden seid, werdet auf diese Weise auch ihr geehrt werden.  Das alles verdanken wir der Gnade unseres Gottes und des Herrn Jesus Christus.“

Gott ruft uns zum Glauben (unsere Berufung), Er hilft uns dann ein Leben zu führen, das dieses Rufes würdig ist. Durch seine Macht kommt das Gute, was wir vorhaben, zustande und Er vollendet das, was wir auf der Grundlage des Glaubens tun. Dann wird der Name unseres Herrn Jesus für all das geehrt, was durch Ihn in unserem Leben geschehen ist.

Gott schenkt uns allen unterschiedliche Fähigkeiten und Leidenschaften und Er sieht gerne zu, wie wir sie für Ihn einsetzen. Er bereitet für uns alle gute Taten vor, die wir tun können.  Ich glaube aber nicht, dass er uns zu irgendetwas zwingt. Vielmehr weiß er, wie wir aufblühen, wenn wir Ihm folgen und das suchen, was Er mit uns vorhat. Vor allem aber geht es um Beziehung und nicht, was wir für Ihn tun.

Wir befinden uns auf dem Weg durchs Leben mit Jesus, ankommen werden wir erst am Ende. Inzwischen habe ich zwei Kinder und habe ein sicheres Gefühl gehabt, dass ich im Moment nicht mehr als 50% arbeiten sollte, damit ich für meine Kinder da sein kann. Und obwohl ich schon lange meine berufliche Berufung gefunden habe, habe ich zum Beispiel auch lange den Eindruck, dass ich nicht nur zum Körper und Leben retten berufen bin, sondern zu noch mehr – wie alle Christen: Zum Seelen Retten berufen bin. Inzwischen hat Gott mir geholfen, noch mehr Ängste zu besiegen und ich fing vor ca. einem Jahr an, meinen Patienten anzubieten, dass ich für Sie bete. Das kostete mich viel Mut. Ich bekomme viele Reaktionen darauf; die meisten (aber nicht alle), positiv und dankbar. Es ist für mich eine Möglichkeit, meine Patienten bewusst zu segnen und sie aufmerksam zu machen, dass unser Vater im Himmel sie sieht und sich um sie kümmern wird. Ich nutze auch die Chancen, die auftauchen, mit Kollegen über tiefgründige Sachen – über Leben, Tod und das Leben danach zu sprechen. Nicht jeden Tag – klar – aber Gott schenkt mir die Möglichkeiten. Mit der Zeit werde ich auch mutiger. Es ist ein Prozess, den Jesus in mir macht. Er ist noch nicht fertig!

Was ist aber, wenn wir tatsächlich entweder falsch verstanden haben oder sogar Gott bewusst ignoriert haben und unseren eigenen Weg gegangen sind? Ja, solche Situationen habe ich auch durchgemacht. Dann sei beruhigt und ermutigt: nicht nur ist es nie zu spät, um sich bei Ihm zu entschuldigen und eine neue Richtung mit Ihm einzuschlagen, sondern Er wird alles zum Besten bewirken. (Röm 8:28) Wir leben schon mit den Konsequenzen von unseren Entscheidungen, aber Er schenkt uns die Hoffnung und die Sicherheit, dass Er uns da benutzt, wo wir uns jetzt befinden. Er bewirkt, dass wir dadurch immer mehr Jesus ähneln und Er wird diese Situationen zu unserem Besten und zu Seiner Herrlichkeit nutzen. Für die, die mit Jesus Christus verbunden sind, gibt es keine Verurteilung mehr. (Röm 8:1)

Und wie geht es weiter? Ich bleibe jetzt da, wo Er mich jetzt hingepflanzt hat – bis Er mir zeigt, dass ich etwas anderes machen soll. Wie könnte das aussehen? Wachsende Unzufriedenheit an meiner Arbeitsstelle, ein tolles Angebot (offene Tür) irgendwo anders, vielleicht eine Idee, die mich nicht loslässt, wenn ich es an Ihn abgegeben habe oder ich schaffe die körperlichen Bedingungen nicht mehr mit der Nachtschicht. Dann würde ich wieder um Weisheit bitten und den nächsten Schritt abwarten, ganz sicher in der Gewissheit: Was ich mache, ist nicht so wichtig wie das, WER ich bin. Ich bin Gottes geliebte Tochter, und das bin ich egal, in welchem Beruf ich stecke. Bis der nächste Schritt klar wird, gebe ich Gottes Liebe dort weiter, wo ich mich befinde.

Clare Kalinka kommt ursprünglich aus Südafrika,  wo sie während ihres Studiums ihren deutschen Mann in dessen Auslandssemester kennenlernte. Nach 5 Jahren Fernbeziehung erklärte sie sich nach der Hochzeit bereit, Deutsch zu lernen und zwei Jahre in Deutschland auszuprobieren. Inzwischen lebt sie seit mehr als 15 Jahren mit ihrem Mann in Stuttgart. Sie haben zwei Kinder im Grundschulalter, und wenn Clare nicht als Vollzeitmama oder Homeschool-Lehrerin tätig ist, kultiviert sie durch viele Nachtschichten auf der Intensivstation die dunklen Ringe unter ihren Augen. Zum Ausgleich genießt sie Bücher, Filme, viel Zeit in der Natur und wenn es geht: Zeit mit Familie und Freunden. Ihr Herz schlägt seit ihrer Kindheit für Jesus und mit Ihm lernt sie allmählich nicht zu weit in der Zukunft zu planen, da Seine Pläne sich oft von ihren eigenen deutlich unterscheiden.