„Musst du wirklich noch für 3 Semester zurück ins Studium? Kannst du nicht einfach gleich bei uns weiterarbeiten?“

Das war eine verlockende Frage, die mir gestellt wurde, als sich das Praxissemester meines Studiums dem Ende neigte. Vor allem, weil ich direkt in dem Feld arbeiten durfte, für welches ich so eine Leidenschaft empfinde, dass ich überhaupt erst mit dem Studium angefangen hatte. Da war die Versuchung, das Studium abzubrechen und direkt ins Berufsleben einzusteigen und Menschen aus der Armut heraus zu helfen, doch für einen Moment sehr groß.

Doch tief in mir drin wusste ich, dass ich noch ein paar wichtige Dinge zu lernen hatte – eben auch im Studium. Das Semester danach war jedoch das herausforderndste überhaupt und ich war in den wenigen Monaten mehrmals kurz davor, alles hinzuschmeißen. Vieles von dem, was ich lernte, fühlte sich völlig nutzlos an und ich schien meinem Ziel wieder viel weiter weg zu sein als zuvor.

Doch dann durfte ich ins Auslandssemester gehen und dort Kurse frei belegen. Natürlich habe ich mir direkt alle Nonprofit-Kurse ausgesucht, die ich finden konnte, denn an meiner Business Schule gab es die nicht. Und letztendlich war ja das genau das Feld, was mich am meisten interessierte und wo ich noch relativ große Wissenslücken hatte. Endlich durfte ich nicht nur über Markenidentität und Zielgruppendefinierung lernen, sondern auch darüber, wie man genau diese Werkzeuge benutzen kann, um ganze Verhaltensmuster und Gesellschaftsströmungen positiv zu verändern. Ich durfte nicht nur über Geschäftsprinzipien und Management lernen, sondern auch darüber, wie man diese Prinzipien nutzen kann, um Betriebe und Organisationen zu gründen, die zwar wirtschaftlich arbeiten, aber trotzdem einen sozialen Zweck als oberste Priorität haben. Und ich durfte ganz viel über die wirtschaftliche Entwicklung, Geschichte und kulturellen Hintergründe des afrikanischen Kontinents lernen. Letzteres eigentlich hauptsächlich aus reiner Neugierde heraus. 

Was ich damals nicht wusste war, dass genau diese Fächer mich auf die nächsten vier Jahre vorbereiten würden, in denen ich eine gemeinnützige Organisation gründen würde und ein großes Bauprojekt in Südafrika mit betreuen würde. Eigentlich Projekte, die mir bei ganz sachlicher Betrachtung deutlich ein paar Nummern zu groß waren.

Heute, vier Jahre später, steht sowohl die gegründete Organisation noch da (ich habe es nicht vermasselt ) und das Bauprojekt ist abgeschlossen. Und in ein paar Wochen darf ich sogar wieder in genau dem Feld arbeiten, für das ich damals fast mein Studium abgebrochen hätte.

Warum erzähle ich dir diese Geschichte?

Ich glaube, dass ENTWICKLUNG ganz viel mit „Dranbleiben“ zu tun hat. Zwischen dem Ort, wo du startest und dem Ort, wo du hin möchtest, gibt es meistens ein ganzes Stück Weg. Vielleicht gibt es auch mehrere Wege. Aber eins weiß ich sicher: Wenn du dich entscheidest, aufzuhören, geht es gar nicht weiter. Und was manchmal wie eine Abkürzung aussieht, kann auch ein ganz schöner Umweg werden. Deshalb möchte ich dich mit dem ermutigen, was Gott damals zu mir gesagt hat, als ich eigentlich nur alles hinschmeißen wollte: BLEIB DRAN!

In der Bibel gibt es mehrere Geschichten, wo Menschen wussten, zu welcher Aufgabe oder Position sie berufen waren. Und trotzdem gab es den Prozess dorthin, in dem sie mehrmals versucht waren, alles aufzugeben, und einfach etwas anderes zu machen, oder einen scheinbar leichteren Weg zu gehen. Ein paar Beispiele, die mir da einfallen sind: Josef, Mose, David, Esther und ja, sogar Jesus. Jeder von ihnen musste sich mindestens einmal, manchmal sogar mehrmals in seinem Leben entscheiden, den anstrengenden Weg in seine Berufung hinein zu gehen, oder es auf dem eigenen Weg zu versuchen. Meistens haben sich in diesen Schlüsselentscheidungen dann ganz wichtige Eigenschaften in ihrem Charakter entwickelt, wie z.B. außergewöhnlicher Mut, Geduld, Demut, Gehorsam, etc.

Ich glaube, was mich damals auch noch sehr herausgefordert hat, war der Gedanke, dass ich nicht wusste, wofür ich das Gelernte jemals wirklich brauchen würde. Ich bin eigentlich jemand, der grundsätzlich neugierig ist und sehr gerne neue Dinge dazu lernt. Aber ich bin auch ein zielstrebiger Mensch und in der Vergangenheit ist es mir manchmal sehr schwergefallen, mich auf das Lernen einzulassen, wenn ich den Sinn oder das Ziel dahinter nicht sehen konnte.

Ich habe aber die letzten paar Jahre gelernt, dass jede Situation das Potential hat, eine Lektion zu sein, in welcher Hinsicht auch immer. Und wenn ich die Möglichkeit habe, etwas dazuzulernen und mich weiter zu entwickeln, sollte ich diese Gelegenheit IMMER nutzen. Wenn ich nämlich zurückblicke, war ganz viel von dem, was mir so sinnlos erschien, im Nachhinein doch an vielen Stellen nützlicher als ich dachte. Bei manchen Dingen und Fähigkeiten, die ich mir angeeignet habe, weiß ich bis heute noch nicht, ob ich sie jemals wieder brauchen werde. Aber ich habe gelernt, dass man auch nie weiß, wann es vielleicht doch zur Anwendung kommt und dann zu einer Bereicherung für einen selbst und für andere wird.

Alles, was ich weiß, ist, dass Jesus uns dazu aufruft, das, was wir an Talenten und Kompetenzen haben, zu vermehren – es weiter zu ENTWICKELN – und letztendlich Gott, den Schöpfer selbst, dadurch zu ehren. (siehe Matthäus 25:14-30)

Deshalb habe ich mich festgelegt, dass ich dranbleiben werde. Ich werde weiter lernen. Ich werde weiter üben. Ich werde weiter machen. Ich will mich weiter zu der Person entwickeln, die Gott in mir sieht. Ich will mich in die Berufung hinein entwickeln, die Gott für mich hat. Dafür gibt es keine Abkürzung – nur einen Prozess. Und der verlangt Ausdauer und Vertrauen. Was ich weiß, ist, dass solange mir Gott auf dem Weg der Entwicklung voraus geht und ich ihm folge, komme ich auf jeden Fall ans Ziel.

Grace Reinhardt ist 27 Jahre und hat nach der Schule ein Bachelorstudium in International Business mit einem Schwerpunkt auf Marketing und Strategie abgeschlossen. Da ihr Herz für soziale Gerechtigkeit schlägt, gründete sie noch während dem Studium ein Nonprofit-Startup. Seit vier Jahren arbeitet sie als Assistent der Geschäftsleitung und Marketingverantwortliche in einem mittelständischen Unternehmen, während sie nebenher die Nonprofit-Organisation weiter führt. Ihr Wunsch ist es, dass Menschen Gottes Strategien für ihr Leben mehr und mehr entdecken und dadurch erkennen, dass Gott sie befähigt, für etwas Größeres zu leben, als nur für sich selbst.“