Ich sitze frühmorgens in meinem Auto, komme nur schleppend im Berufsverkehr voran, aber in meinem Kopf sprudelt ein Vulkan wirrer Gedanken durch meine Gehirnwindungen: Was mache ich da nur?! Mein Herz rast, ich kämpfe mit Angst und am liebsten will ich einfach wieder heim in mein Bett. Aber dennoch fahre ich weiter – so fühlt sich Mut manchmal an.

Ich bin keine Frau, die gerne ihren Mut beweist, indem sie sich mit einem Seil an den Beinen von einer Brücke stürzt oder gerne alleine durch Alaska wandern wollte. Aber wenn etwas mein Herz packt, wenn mir etwas wirklich wichtig ist, dann steht in mir etwas auf, das mich über meine Komfortzone hinaus führt. Dann werden Kräfte in mir frei, über die ich mich manchmal rückblickend nur wundern kann.

Ich war beruflich „immer“ eine selbständige Musikpädagogin. Ich habe mir meine Arbeitszeiten selbst eingeteilt, war mein eigener Chef, konnte geschmeidig mit der Familienentwicklung mein Arbeitspensum anpassen und war glücklich, täglich mit Musik zu tun zu haben, Kindern diese nahezubringen und dabei genügend Zeit für meine eigenen Kinder zu haben. Denn ich bin gerne Mutter. Zu lehren ist meine Leidenschaft (und der Horror meiner Familie; die fühlen sich seltsamerweise öfter belehrt). Jedoch musste ich, nach über 20 Jahren „Für Elise“ hoch und runter, zugeben, dass sich in mir langsam der Wunsch nach Veränderung kundtat. Als mein Mann mich dann fragte, ob ich ihm in seiner Firma helfen würde, musste ich nicht lange überlegen. Ich sagte prompt: „NEIN!!“ Mein Mann ist in der Automobilindustrie tätig. Unsere Mitarbeiter sind Konstrukteure, die am Computer Kabelbäume und andere Teile konstruieren. Was sollte ich da tun? Und niemals wollte ich in einem Büro landen! Wenn ich mit Freundinnen darüber sprach, bekam ich von einigen den Rat: „Mach das bloß nicht, das ruiniert eure Ehe!“ und von anderen wieder: „Das wäre doch toll, wenn ihr zusammenarbeiten würdet!“ Es hat einige Wochen und sogar Monate gedauert, bis ich meine Entscheidung für die Firma traf. Ich musste in mich hineinhören, Ängste überwinden und mutig sein. Warum habe ich mich dafür entschieden? Weil mein Herz bewegt war und mein Mann und die Firma Hilfe brauchten. Ein neues Abenteuer sollte beginnen. Jetzt war ich zuständig fürs Personal, ca. 50 Leute, davon 90% Männer. Es gab viel zu lernen und viel zu tun und einiges musste verändert werden. Der Anfang war nicht leicht. „Die Frau vom Chef arbeitet jetzt mit“. Ich wurde von allen beäugt. Die einzigen drei Frauen im Büro waren ein paar Monate später nicht mehr da. Dafür sind tolle neue Frauen gekommen und geblieben.

Liebe Leserin, ich möchte Dich ermutigen, mutig zu sein und etwas zu wagen, wenn Du spürst: Dafür schlägt mein Herz, da steht etwas in mir auf, da habe ich Gaben und die will ich einbringen, um zu unterstützen oder zu verändern oder Neues hervorzubringen. Lasst uns doch gegenseitig Mut zusprechen, über das Schubladendenken hinauszugehen und das zu tun, was unser Herz bewegt oder was uns schlichtweg vor die Füße fällt. Ich z.B. habe vorher den Begriff „Mutter sein“ immer nur der Familie zugeordnet und ansatzweise auch dem Gemeindeumfeld, aber ich habe nie darüber nachgedacht, dass es Mütter in der Wirtschaft braucht. Aber ich kann euch versichern: Es braucht sie – und ich bin eine! (…und ich spreche nicht von backen, kochen, putzen…). Frauen, die ihre Tools beherrschen, aber die v.a. fest stehen, die eine gesunde Autorität haben, die sich trauen ihren Mund aufzumachen, die fördern, helfen und zuhören, die Verantwortung übernehmen und Veränderung begrüßen. Die letzten Jahre haben Kraft gekostet, auch mal eine Träne, aber sie haben auch Freude gebracht. Ich habe wundervolle Menschen kennengelernt, Dinge getan, von denen ich nicht dachte, dass ich sie tun kann, und ich bin dadurch enorm gewachsen.

Wir würden uns gegenseitig das Leben so viel leichter machen, wenn wir in unserem Gegenüber erkennen würden, was sie oder er trägt, d.h. was ihre Identität, ihre Berufung, ihre Leidenschaft ist. Egal, ob ich eine Musikband leite, Menschen über einen längeren Zeitraum unterrichte, mich um meine Familie kümmere, ein Geschäftsleutetreffen organisiere oder das Personal in der Firma leite – mein Ziel wird immer sein: Verbindung und Beziehung zu schaffen, eine Atmosphäre, in der sich jeder wohlfühlt und jeder sich entwickeln kann.

Dich machen bestimmt ganz andere Eigenschaften aus. Dein Herz wird wahrscheinlich von anderen Dingen bewegt werden wie meines. Du bist vielleicht schon allein durch Alaska gewandert – wie toll!! Lasst uns doch einander sagen, welche Stärken wir im anderen sehen und uns gegenseitig anfeuern, voranzugehen und nicht aufzugeben, wenn es hart wird. Wir alle brauchen Ermutigung; Menschen um uns herum, die unsere Träume nicht in den Müll treten, sondern uns Mut zusprechen, wenn wir entmutigt sind – uns der Mut verloren geht.

Mutige Entscheidungen zu treffen bedeutet nicht, dass alles glatt läuft, dass dann auf einmal alles leicht wird, dass kein Gegenwind bläst und auch nicht, dass wir immer erfolgreich sind. Ich habe die Wirtschaft auch in ihrer ganzen Härte und Schwäche kennengelernt. Aber wäre ich nicht mutig gewesen, wären manche positiven Veränderungen in der Firma nicht möglich gewesen. Ich bin glücklich, wenn ein Mitarbeiter mir sagt: „Ich arbeite so gerne bei euch in der Firma!“, „Tamara, es ist so gut, dass Du da bist!“, oder wenn unsere jungen Mitarbeiter sagen, dass sie sich keinen besseren ersten Job nach der Uni hätten vorstellen können als bei uns in der Firma zu sein.

Woher nehmen wir den Mut? Mut können wir von Gott geschenkt bekommen: „Du, Herr, hörst ihr Rufen und schenkst ihnen neuen Mut.“ (Psalm 10,17). Oder wenn wir uns daran erinnern, wie Er schon früher einmal etwas für uns getan hat: „Ich verliere nicht den Mut, denn ich erinnere mich daran, wie du schon früher für Recht gesorgt hast.“ (Psalm 119,52). Mut bekommen wir auch, wenn wir uns gegenseitig ermutigen: „Ja, sie haben mir neuen Mut gegeben, so wie sie auch euch ermutigt haben. Nehmt euch diese Männer zum Vorbild!“ (1.Kor. 16,18). Und gute Vorbilder, Menschen, die beständig und mutig ihren Weg gehen, können uns durch ihren Lebensstil ermutigen.

Lasst uns selbst solche Frauen sein! Wage etwas! Ich feuere Dich vor allem an, das, was Du tust, auf Deine Weise als Frau zu machen, authentisch zu sein! Wir brauchen Frauen, die als Frauen leiten und nicht Männer nachahmen. Frauen, die sich trauen, ihre wahre innere Stärke zu zeigen, die Gott in sie hineingelegt hat – egal ob es gerade hip ist oder nicht!

Tamara Dlugokinski ist seit 28 Jahren verheiratet und Mutter von zwei Töchtern.  Sie studierte Musikpädagogik, gab als Songwriterin zwei CDs heraus und erweiterte vor ein paar Jahren ihr Aufgabenfeld mit einem Fernstudium zur „Fachreferentin für Familie und Erziehung“ bei Team-F. Seit über 20 Jahren hat sie Leitungsaufgaben in den verschiedensten Bereichen inne und 2016 übernahm sie die Leitung den HR Bereichs in der Firma ihres Mannes. Sie referiert bei ganz unterschiedlichen Seminaren, Treffen, Schulen und Kursen und ihre Leidenschaft ist es, Menschen zu ermutigen und zu stärken.